Freitag, 19. März 2010

"Best in Class"-Einkauf

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Ausgabe 01/ 2009

"Best in Class"-Einkauf

R. Schwientek, O. Rong, Dr. N. Pipic, R. Grimm

Erschließung von nachhaltigen Potenzialen im Sachkostenmanagement von Krankenhäusern

Für das Sachkostenmanagement existiert eine Vielzahl von Strategien zur Erschließung von Optimierungspotenzialen. Roland Berger Strategy Consultants hat den „Best in Class“-Ansatz entwickelt. Dieser umfasst neben der Kostenreduktion die Neugestaltung der Einkaufsprozesse und die Weiterentwicklung der Einkaufsorganisation und ermöglicht so nicht nur kurzfristige Einsparungen im Sachkostenbereich, sondern eine lang anhaltende Realisierung.
Die Ergebnisse einer internationalen Roland Berger-Einkaufsstudie „Purchasing Excellence“ zum Beschaffungswesen von Krankenhäusern zeigen ein deutliches Optimierungspotenzial gegenüber Best Practice-Industriestandards. Der Einkauf in Krankenhäusern hat vielfach immer noch den Charakter eines Verwaltungsaktes und konzentriert sich auf operative Bedarfserfüllung und Abhandlung von Standardprozessen. Strategische Bedarfsanalyse, Lieferantenmanagement und -auswahl sind häufig erst in Anfängen zu sehen. Auch die prozesstechnische Aufstellung und Anwendung moderner e-Procurement-Plattformen ist erst vereinzelt entwickelt oder befindet sich im Aufbaustadium. In Krankenhäusern lassen sich vier Evolutionsstufen des Beschaffungswesens differenzieren.


Lösungen gegen den Kosten- und Ergebnisdruck

Die primären Aufwandstreiber eines Krankenhauses sind:

- Personalaufwand,
- medizinischer Sachaufwand,
- sonstiger Sachaufwand.

Der Personalaufwand, mit rund 60 Prozent der größte Aufwandstreiber, bildet den anspruchsvollsten und nur mittelfristig erschließbaren Optimierungsbereich. Gerade in Krankenhäusern ist die Durchsetzung eines notwendigen Personalabbaus, um Einsparungen zu generieren, mit sozialen und politischen Hürden verbunden, die äußerst zeitaufwändig sein können.
Potenziale können jedoch häufig auch im Sachaufwandsblock (22 Prozent medizinischer, 18 Prozent sonstiger Sachaufwand) erschlossen werden. Diese sind meist deutlich kurzfristiger zu heben, bieten erhebliche Einsparungen und können trotzdem nachhaltig auf die Ergebnissituation wirken.

Mit konsequentem Sachkostenmanagement können in fast allen Warengruppen Einsparungen realisiert werden. Die Potenzialhöhe liegt im Mittel über das Gesamtvolumen bei acht bis 15 Prozent. Die konkrete Einsparungshöhe ist im Einzelfall allerdings stark abhängig von der Größe des Einkaufsvolumens, dem bisher erreichten Standardisierungsgrad und nicht zuletzt dem Kooperationswillen zur Kostensenkung auf Beschaffungs- und Anwenderseite.
Die größten Potenziale liegen dabei häufig in medizinischen Warengruppen, da hier in der Vergangenheit wirtschaftliche Notwendigkeiten hinter eine rein medizinische Sichtweise zurücktraten. Medizinische Produkte stellen allerdings aufgrund des direkten Einflusses auf die Patientenbehandlung den sensibelsten und schwierigsten Bereich für Änderungen dar. Dieser Zusammenhang lässt sich abbilden, indem medizinische und nichtmedizinische Warengruppen nach durchschnittlichem Einsparungspotenzial und Umsetzungsschwierigkeit (anhand der Patientennähe von hoch bis niedrig) kategorisiert und verglichen werden. Anzusetzen wäre demnach dort, wo am schnellsten die größten Erfolge realisiert werden können.

Erschließung von Sachkosteneinsparungen
Im Beschaffungswesen existieren zahlreiche Ansätze, Methoden und Instrumente zur Realisierung von Kostensenkungspotenzialen. Daher kommt der stringenten und systematischen Identifikation und Anwendung der geeigneten Hebel eine sehr hohe Bedeutung zu. Noch wichtiger ist es jedoch, dass Sachkostenoptimierung kein „Strohfeuer“ ist, sondern in eine dauerhafte Niveauveränderung des gesamten Beschaffungswesens eingebettet ist. Roland Berger hat daher in der Industrie bewährte Ansätze zur Einkaufsoptimierung gemeinsam mit Krankenhäusern zu einem neuen und umfassenden Best Practice-Transfer-Ansatz weiterentwickelt. Dieser verbindet die Einsparungen von Sachkosten mit der systematischen Weiterentwicklung der Einkaufsorganisation und der Einkaufsprozesse im Krankenhaus und schafft so die gewünschte Nachhaltigkeit. Dies ist für uns „Best in Class“-Einkauf.

Daraus ergeben sich zwei Stoßrichtungen:
Stoßrichtung 1:

Identifikation und Realisierung von vorrangig kurzfristigen Ergebnisverbesserungen (Einsparungshebel) durch konsequentes Warengruppenmanagement (Preis und Menge) in ausgewählten Bereichen. Die Bearbeitung erfolgt in folgenden Phasen:

1. Ist-Analyse des Beschaffungsportfolios: Das jährliche Beschaffungsvolumen wird in Warengruppen strukturiert und analysiert. Analyseschwerpunkte sind das Artikelspektrum, das Lieferantenportfolio und die Bedarfsträgerstruktur.
2. Diskussion von Hebeln und Maßnahmen: Auf Basis der Analyseergebnisse erfolgen eine Diskussion der Möglichkeiten und Abschätzung der Potenziale pro Warengruppe sowie die Festlegung von Hebeln und Bearbeitungsumfang.
3. Marktbearbeitung durch Betätigung der Einsparungshebel: Durchführung von Lieferantenverhandlungen und Standardisierungsworkshops mit Anwenderbeteiligung stehen im Mittelpunkt der Marktbearbeitung.
4. Validierung der Ergebnisse und finale Festlegung: Vertragsabschluss mit ausgewählten Lieferanten und Fixierung der Produktstandards sowie deren interne Kommunikation schließen die erfolgreiche Bearbeitung pro Warengruppe ab.

Durch fallspezifische Auswahl entsprechend der jeweiligen Ausgangssituation und konsequenter Anwendung der Einkaufsinstrumente und -hebel werden die besten Ergebnisse erzielt. Für die Sachkostenoptimierung im Krankenhaus erweisen sich die Instrumente (Hebel) einer systematischen Konkurrenzierung zwischen Lieferanten sowie Standardisierung/Sortimentsstraffung innerhalb von Produktgruppen warengruppenübergreifend als am wirksamsten.

Für Spezialbereiche wie den Laborgerätepark empfehlen sich hingegen Analysen nach der „Total Cost of Ownership“-Methodik, für Verbandsstoffe die Beschaffung aus Best Cost-Regionen.

Stoßrichtung 2 kann parallel oder nachfolgend zu Stoßrichtung 1 initialisiert und angegangen werden. Hier wird ergänzend die organisatorische, prozessuale und systemseitige Aufstellung des Beschaffungswesens untersucht und gegebenenfalls weiterentwickelt, um so eine nachhaltige Professionalisierung und Absicherung der Kostensenkungen zu erreichen. Die Bearbeitung kann wie folgt durchgeführt werden:
1. Intensive Analysephase mit Aufnahme der Ausgangslage der Einkaufsprozesse und deren Schwachstellen.
2. Bewertung der Schwachstellen und Detaillierung der Zusammenhänge mit Organisationsstruktur und IT-Systemlandschaft.
3. Entwurf des Sollkonzeptes und finale Definition per Lastenheft.
4. Anschub der Umsetzung und Definition Umsetzungszeitplan und Verantwortlichkeiten.

Hindernisse und Erfolgsfaktoren
Die vielversprechenden Potenziale im Rahmen einer Sachkostenoptimierung im Krankenhaus sind nur bei Beseitigung zahlreicher Hindernisse zu realisieren.

- Die Anwender reagieren auf Projekte zur Sachkostenoptimierung oftmals mit großer Zurückhaltung bis hin zum offenen Widerstand. Durch Produktstandardisierung und -bündelung befürchten die Anwender eine Senkung der Behandlungsqualität und eine Beschneidung ihrer „medizinischen Freiheit“.
- Der Einkaufsbereich ist häufig durch eine unzureichende Datenlage sowie unzureichende medizinische Fachkenntnisse gekennzeichnet.
Wirksame Controllinginstrumente und -prozesse, um die Einhaltung der Standards nachvollziehen zu können, fehlen oftmals oder sind nur in Ansätzen entwickelt. Nur ein diese Hindernisse aufnehmender Projektansatz, verbunden mit entsprechender Projektdurchführung und -organisation, kann zu den gewünschten Erfolgen führen.

Die Erfolgsfaktoren eines solchen Projektes sind:
- Ein Kernelement ist die konsequente Einbindung der Anwender bei der Bearbeitung und Optimierung medizinischer Warengruppen von Beginn an. Hier sollten gemeinsame Warengruppenteams aus Beschaffungs-, Anwender- und Beraterseite eingesetzt werden. 
- Eine essenzielle Voraussetzung für rasche Projektfortschritte und -erfolge besteht in einer klar strukturierten und stringenten Projektorganisation. Aufsetzend darauf gewährleistet die konsequente und professionelle Projektdurchführung das Ausschöpfen der Potenziale und verhindert Umsetzungsstörungen oder eine Verzögerung durch interne Widerstände.
- Bestehen Zweifel oder Intransparenz hinsichtlich der aktuellen Datenlage, so sollte im Einkauf noch vor Projektstart die Schaffung von valideren Daten als korrekte Ausgangsbasis erfolgen. Dies gewährleistet nachfolgend eine transparente und glaubwürdige Entscheidungsgrundlage und vermeidet Verzögerungen und Mehraufwand während der Marktbearbeitung. Genauso wichtig ist es, dass diese Datenlage von den Anwendern akzeptiert wird. Daher sollten diese in die Aufbereitung der Daten miteinbezogen werden.
- Die Absicherung und das Controlling der Effekte nach Projektdurchführung erzeugen Nachhaltigkeit – etwa mithilfe der Installation eines Sachkosten-Monitoringtools, welches Kostenverläufe je Warengruppe sowie Preis- und Verbrauchereinflüsse aufzeigt. Dieses kann organisatorisch in die bestehende Controllingorganisation eingebettet und in die IT-Systemlandschaft des Krankenhauses integriert werden.
- Darauf basierend helfen klar definierte Eskalationswege und Sanktionierungsregeln, die Ausgabendisziplin bei sich andeutenden Abweichungen einzuhalten und schließlich die Projektziele zu erreichen. Im Sinne einer Verstetigung eines Projektes kann dies durch die Etablierung eines „Einkaufsboards“ als Schnittstelle zwischen Bedarfsträger und Bedarfsdecker (Einkauf) erfolgen.

 

Projektbeispiel: Erfolgreiches Sachkostenmanagement
Die Wirksamkeit und das Potenzial, welche durch konsequentes Sachkostenmanagement im Rahmen des „Best in Class“-Ansatzes erreichbar sind, können an den Projektergebnissen in einem deutschen Krankenhaus dargestellt werden. Nach sechs Monaten intensiver Projektarbeit eines gemischten Teams aus Krankenhausmitarbeitern und Beratern standen validierte Einsparungen in Höhe von rund neun Prozent über das gesamte Portfolio als messbares Ergebnis des Projektes fest.
Nachdem erste Ergebnisverbesserungen budgetwirksam erzielt waren, wurden Prozesse und Organisation des Beschaffungswesens analysiert und neu aufgestellt. Dank einer deutlichen Verschlankung der Organisation und infolge der Weiterentwicklung und Neuausrichtung der Prozesse arbeitet der Einkauf heute serviceorientierter, schneller und effektiver. Beispielsweise wurde eine klare inhaltliche Trennung von strategischen und operativen Aufgabenfeldern definiert und strukturell in der Organisation installiert. Dies führte zu einer Stärkung der strategischen Ausrichtung. Des Weiteren konnten durch die Installation eines zentralen Servicepoints die Anfragen gebündelt und dadurch Erreichbarkeit und Reaktionszeit des Einkaufs erhöht werden. Die Beschaffungsfunktion des Krankenhauses wurde somit umfassend und nachhaltig optimiert und trägt mittlerweile zu einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung des gesamten Unternehmens bei.

 

 

Anschrift der Verfasser:
Roland Schwientek
Oliver Rong
Dr. Nedim Pipic
Robert Grimm
Alt Moabit 101
10559 Berlin

 


f&w 1/2009, Seiten 55 bis 58

Posted via web from Blog "Gesundheitswirtschaft"

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